Jeden Monat etwas Neues ausprobieren……das war mein Ziel für meine Zeit in München. Dieses Mal habe ich etwas ausprobiert, was dem ein oder anderen wohl etwas komisch vorkommen wird. Jedenfalls war das bei Freunden und Familie so. „Aha und wofür soll das gut sein?“ habe ich nicht selten als Antwort bekommen, wenn ich von meinem Vorhaben erzählt habe…
Weekly Eye Contact
…ist eine wöchentlich in München stattfindende Veranstaltung, bei der es darum geht, einer fremden Person in die Augen zu starren. As simple as that!
Okay ein bisschen genauer: Ich bin über Facebook auf die Eye Contact Veranstaltungen aufmerksam geworden. Jeder kann teilnehmen – egal welches Alter, welche Nation, Religion oder Geschlecht. In einem Raum sind sich gegenüberstehende Stuhlreihen aufgebaut, man setzt sich einem Fremden gegenüber und hat kurz Zeit sich vorzustellen und sich ein bisschen kennen zu lernen. Die Veranstalter geben dann ein Zeichen, wenn es losgeht: 15 Minuten Augenkontakt mit einem Fremden. Das hört sich zunächst nach einer unendlich langen Zeit an, aber ihr wärt überrascht, wie schnell sie vorbei sind! Die einzigen Regeln während des Eye Contacts: nicht reden, nicht gestikulieren und alles zulassen, was passiert. Egal ob man lachen oder weinen muss, alle Emotionen sind erlaubt. Nach den 15 Minuten, hat man noch mal kurz Zeit sich über seine Erfahrungen auszutauschen, bevor man sich auf die Suche nach einem neuen Partner macht.
Der Sinn der ganzen Sache?
In einer Welt, in der wir ständig nur noch am Smartphone hängen und belanglosen, oberflächlichen Small-Talk führen, mal wieder intensiven menschlichen Kontakt spüren. Ganz ehrlich und direkt. Sich selbst und auch anderen näher kommen und dabei ganz im hier und jetzt sein. Alles andere, den Stress des Alltags, Erinnerungen und Pläne mal vergessen und sich vollkommen auf die Gegenwart konzentrieren. Das ist so ähnlich wie eine Meditation – außer, dass dir jemand gegenüber sitzt. Dabei gibt es kein richtig oder falsch, jeder erlebt dabei etwas anderes. Wichtig ist nur, dass man sich darauf einlässt.
Und so erging es mir bei diesem Experiment
Für mich ist es nicht unbedingt immer leicht Augenkontakt zu halten. Auch bei Konversationen mit Menschen, die ich nicht so gut kenne, bei denen ich mich nicht komplett wohl fühle. Deswegen war das Eye Contact Experiment anfangs schon eine Herausforderung für mich.
Für einen sanften Einstieg, habe ich das Experiment mit einer Freundin gestartet, mit der ich zusammen zu der Veranstaltung gegangen bin. Anfangs konnten wir beide nicht aufhören zu kichern. Ich habe mich unwohl gefühlt, wollte gerne etwas sagen oder zumindest darüber reden, wie unangenehm die Situation grade ist – das ist aber gegen die Regeln! Unser Kichern schrumpfte langsam zu einem schmunzeln, bis wir endliche die richtige mentale Haltung fanden, um uns einfach zu entspannen. Dann ging es plötzlich. Irgendwann ist man so entspannt, dass man auf einmal in Gedanken verfällt: „Was brauch ich noch mal vom Lidl, wenn ich später einkaufen gehe?“. Das ist aber nicht Sinn der Übung! Es ist wichtig, im Hier und Jetzt zu bleiben, sonst kann man auch zuhause bleiben und eine Wand anstarren – das hat dann ungefähr den gleichen Effekt.
Mit den meisten blieb der Augenkontakt eher oberflächlich und zumindest auf meiner Seite passierte irgendwie nichts. Ich hatte vorher Berichte von einer Bekannten gehört, deren Partner beim Eye Contact angefangen hat zu weinen. Ich hatte also schon ziemlich hohe Erwartungen an das Experiment. Zwischenzeitlich war ich etwas enttäuscht, dass da nichts passieren wollte, zwischen mir und meinen Augenkontakt-Partnern.
Dann beim dritten oder vierten Versuchsobjekt spürte ich endlich eine Art Verbindung. Er sah zwischenzeitlich so traurig und besorgt aus, dass es mich direkt mitriss und ich eine tiefe Empathie für ihn spürte. Ich weiß es zwar nicht sicher, aber ich glaube, dass ich sein trauriges Gesicht wiedergespiegelt habe. Irgendwann fing er dann plötzlich an zu lächeln, als hätte er eine Art Resolution gefunden. Als die 15 Minuten vorbei waren, gestand er mir, er hätte das Gefühl gehabt, als hätte ich ganz tief in seine Seele geschaut und wüsste jetzt alles über ihn. Ganz so intensiv war es dann für mich doch nicht!
Bei meinem letzten Partner habe ich mich dann noch mal richtig unwohl gefühlt. Er zog seinen Stuhl nicht nur immer näher an meinen heran, sondern lehnte sich auch noch nach vorne und stütze sich auf seinen Knien ab, um mir immer näher zu kommen. Als Antwort darauf lehnte ich mich immer weiter nach hinten in meine Stuhllehne hinein und verschränkte meine Arme vor meiner Brust. Sein Gesicht war die ganze Zeit am arbeiten, er riss plötzlich überrascht die Augen auf, nur um sie dann wieder zusammenzukneifen. Er betrachtete mich einmal eher von unten, um dann den Kopf wieder zu heben und mich von oben zu mustern. Ich war hin und her gerissen zwischen einem kühlen Blick, der so viel sagen sollte wie „Back off!“ und einem lauten Lachen, das ich immer wieder unterdrücken musste. Seine Mimik war einfach zu unterhaltsam! Danach sagte er mir übrigens, dass ich die ganze Zeit sehr unentspannt aussah. Außerdem, dass er zwei Minuten lang über meine Wimpern nachgedacht hat und wie unfair es ist, dass Männer nicht solche Wimpern haben können…Okay!
Mein Fazit: Es war definitiv eine interessante Erfahrung, die ich auf jeden Fall empfehlen kann aber noch mal muss ich das glaube ich nicht machen.