Kunst als Gesprächsthema ist heutzutage sehr dankbar.
Jeder kann mitreden – und jeder hat eine andere Vorstellung von Kunst. Wo meine Großmutter Jean Miros skulpturales Denken und meine Mutter Salvador Dalís surrealistische Vorstellungen von Zeit und Raum verehrt, fühle ich mich allerdings manchmal ein bisschen verloren.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass Kunst manchmal nur Farce ist.
Früher dachte ich, Kunst sei ein elitärer Begriff für elitäre Menschen, die eine Beschäftigung suchen, um eine gewisse Leere zu füllen. Mir erschien es immer mehr, als wollten sie eigentlich gerne Champagner in Galerien trinken, ihre Designerschuhe ausführen und diesen typischen fachsimpelnden Gesichtsausdruck aufsetzen und mit hochgezogenen Augenbrauen auf ihre Sprösslinge einreden, um ihnen ein Gespür für diese Art des intellektuellen Wahrnehmens zu vermitteln.
Ich kann mich nur zu gut erinnern, als ich vor wenigen Jahren im Tate Modern stand, vor einem von Joseph Beuys Werken der frühen 1980er und auf dem Boden des Raumes nicht mehr vernahm, als eine Ansammlung ungeordneter Hundehäufchen aus marmoriertem Ton, die neben einem großen Steinklotz platziert waren. Als man mir mit der gewohnt strengen und ernsthaften Mimik erklärte, dass es sich dabei um die Interaktion einer Ziege mit einem Hirsch handelt und diese eben nur stark transformiert dargestellt sei, konnte ich mir ein lautes Prusten nicht verkneifen.
Noch so eine Sache – in Museen zu lachen ist ein No-Go.
Es würde mich nicht wundern, wenn neben dem „Hunde müssen draußen bleiben“- Schild, auch bald eins mit der Aufschrift „Lachende Menschen müssen draußen bleiben“ hinge. Klar, man soll den Künstlern – diesen mutigen und schaffenden Wesen – ja eine gewisse Ehre erweisen.
Aber ganz ehrlich: Da heißt es immer, Kunst darf alles. Kunst bedient sich keinerlei Regeln und muss sich niemals unterordnen. Kunst hat immer diesen gewissen Status Quo – denn was wären wir heute ohne Van Gogh, Rubens oder Otto Dix und seiner neuen Sachlichkeit? Das ist alles schön und gut und vielleicht richtig. Ich bin auch ein Freidenker. Aber wenn man sich selbst so viel herausnimmt – darf man als Künstler dann auch immer Ernsthaftigkeit vom Betrachter erwarten?
Eine weitere Tatsache, die ich im Laufe meiner künstlerischen Recherche gelernt habe: Bei Kunst steht Leistung niemals in Bezug zu Geld.
Deutschland fördert Künstler und das ist in gewisser Weise auch gut so. Es gibt eine Künstlersozialkasse und einen Gründungszuschuss für Künstler, denn bis Kunst Geld abwirft, können schon mal einige Jahre vergehen. Ich mag Kunst – versteht mich nicht falsch. Ich habe nur eine eher naive Herangehensweise bei der Betrachtung: Entweder ich fühle etwas, oder ich fühle eben nichts. Das ist wie bei Menschen, sie berühren dich tief oder sie hinterlassen nichts.
Vor kurzem war ich auf einer Vernissage eingeladen, in der man hinterher in großer Runde mit den Künstlern gemeinsam Essen ginge. Super Sache, dachte ich mir und sagte zu. Als man uns dann durch die Galerien führte, fand ich tatsächlich ein paar Werke ganz interessant. Da gab es ein mit pinkem Wasser gefülltes Waschbecken oder herumbaumelnde Telefonhörer, in denen ich durchaus Poesie erkennen konnte. Was mich dann aber doch wieder schnell auf den Boden der Tatsachen holte, war das Bild ein paar verglaster Kakteen, von einem Künstler, dessen Namen ich leider vergaß. Ich unterhielt mich mit dem Galeristen über Beständigkeit, Vergänglichkeit und Achtsamkeit – alles was der Kaktus symbolisierte. Es kostete 12.000 Euro, aber man könnte es in Raten bezahlen, erwähnte er nebenbei.
Hauptsache, man habe eine Vision. Kurz versuchte ich zu überschlagen, wie viel Zeit und Mühe der Künstler in dieses Werk wohl gesteckt haben müssen, um diesen absurden Preis zu rechtfertigen. Gemessen an meinem Gehalt müssen das wohl mehrere Monate gewesen sein. Seltsam nur, dass es mehr der Bleistiftschraffur eines Vorschulkindes glich. Ich lehnte also dankend hab – das fiese Grinsen klopfe bei mir schon wieder an – und entgegnete, dass ich gerade mein Auto abbezahlen muss und mir wohl doch lieber eine simple Topfpflanze kaufen werde.
Später am Abend wurde viel über Farbschichten gesprochen und übermalte Mehrschichtigkeit, die dann oftmals wieder zerstört und in Frage gestellt wird und ach – ich verlor den Faden. Das Essen war weit und breit nicht in Sicht. Monoton begann ich auf eine ebenso monotone hellblaue Leinwand zu starren und mehr darin zu erkennen, als eine hellblaue Leinwand. Die Kuratorin sagte den klugen Satz, dass man nie etwas objektiv betrachten könne, weil man sich ja immer selbst mitbringt. Ich für meinen Teil war heilfroh, mir noch eine Packung Reiswaffeln mitgebracht zu haben – der Unterzuckerung nahe.
An diesem Abend erschien mir ziemlich viel Monotones. Auch der Monolog der schlauen Kuratorin, die in einer schwingenden Rede lästerte über die Pseudokunst in vielen Wartezimmern und Restaurants, wo man gar keine richtige Abgrenzung des Künstlers mehr erkennen könnte und dass denen eigentlich alles egal sei. Ich dachte mir nur, wenn einem etwas derart wurscht ist, ist man dann cool oder einfach nur arrogant?
Überhaupt hatte ich den ganzen Abend das Gefühl, dass alle voll von sich selbst waren und ich immer leerer wurde. Könnte aber auch daran gelegen haben, dass statt dem versprochenen Essen ein paar Gläser stilles Wasser wurden, mit dem ich meine Reiswaffeln runterspülte. Gegen Ende des Abends fragte mich die Kuratorin, ob ich denn auch sammle. Müde schüttelte ich den Kopf und dachte: „Nur Lippenstifte.“
Gerade als ich gehen wollte, zog einer der Künstler eine Einladung für die Vernissage am darauffolgenden Abend aus der Tasche und drückte sie mir in die Hand. „Für das leibliche Wohl ist gesorgt“, stand dort in großen Lettern und ich verließ schnell das Gebäude, bevor ich in expressionistisch schallendem Gelächter ausbrach.